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Sind Nachzahlungszinsen verfassungswidrig?

Diese Frage stellte sich ein Ehepaar, das nach einer Außenprüfung mit einem Zinsbescheid zusätzlich zum Einkommensteuerbescheid belastet wurde. Für einen Zeitraum vom 01.04.15 bis 16.11.17 verlangte das Finanzamt Nachzahlungszinsen in Höhe von 240831 Euro von den Eheleuten. Diese legten gegen den Zinsbescheid und auch gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch ein. Eine Entscheidung über die Einsprüche steht noch aus, denn das Verfahren ruht, bis eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergangen ist.
Die betroffenen Eheleute haben die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids beantragt, weil ihrer Ansicht nach die Höhe der Zinsen mit 0,5 % pro Monat und 6 % pro Jahr verfassungswidrig sei. Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) sahen dies anders. Das FG ist der Auffassung, verfassungsrechtliche Bedenken würden auch keine Vollziehungsaussetzung rechtfertigen, denn das öffentliche Interesse am Vollzug sei höher zu bewerten als das Interesse einzelner Steuerschuldner. Gegen diese Entscheidung legten die Eheleute Beschwerde ein. Dieser Beschwerde wurde seitens des FG nicht abgeholfen. Daher ging die Sache zum Bundesfinanzhof (BFH).

Bundesfinanzhof ordnet die Aussetzung der Vollziehung an

Der BFH gab dem Antrag der Steuerschuldner statt, hob die Entscheidung des Finanzgerichts auf und ordnete die Vollziehungsaussetzung für den angefochtenen Zinsbescheid an.

bei einer vorläufigen Prüfung wichtige Gründe ergeben, die Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Bescheids aufkommen lassen. Das kann bei verfassungsrechtlichen Zweifeln der Fall sein. Auch vor einem Hauptsacheverfahren kann dann vorläufig Rechtsschutz gewährt werden, wenn das im Interesse des effektiven Rechtsschutzes angebracht erscheint.

Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz

Die Begründung für die Aussetzung der Vollziehung sieht das Gericht darin, dass der gesetzliche Zinssatz ab 2015 angesichts des niedrigen Marktzinsniveaus der wirtschaftlichen Realität nicht entspricht. Sachlich gerechtfertigt ist die gesetzliche Zinshöhe nicht. Aufgrund moderner EDV-Technik in der Steuerverwaltung können auch Praktikabilität und Vereinfachung der Verwaltung nicht als Gründe für die Beibehaltung des seit 1961 unveränderten Zinssatzes dienen. Für den Steuerpflichtigen sei es zudem ausgeschlossen, durch Nichtzahlung der Steuerbeträge Zinsen zu erzielen.
Kommt ein Übermaßverbot in Betracht?

Die realitätsferne Bemessung der Zinsen wirke angesichts des Niedrigzinsniveaus wie ein rechtsgrundloser Zuschlag, der dem Rechtsstaatsprinzip entgegensteht.

Berechtigtes Interesse an der Aussetzung der Vollziehung

Die Zweifel an einer Verfassungsmäßigkeit der Zinsen sind so schwerwiegend, dass die Interessenabwägung zugunsten der Eheleute ausfällt. Eine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einer reibungslosen Haushaltsführung bestehe hingegen nicht.
Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Notwendigkeit der Zinsanpassung dem Gesetzgeber bekannt ist.

BFH, Beschluss vom 25.4.20178, Az. IX B 21/18.